„Wer zukunftsfähig sein will, muss investieren!“

Mann steht an einem Pult und spricht in ein Mikro.
Fraktionsvorsitzender Jens Meier (Foto: GRÜNE Ratsfraktion Osnabrück)

Rede des Fraktionsvorsitzenden Jens Meier zum Beschluss des Haushalts 2025

Aussprache zum Haushalt 2025Sitzung des Rates der Stadt Osnabrück am 03. Dezember 2024

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Vorbereitung auf die Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2025 ist mir der Titel eines alten Stadtentwicklungsprogramms in den Sinn gekommen: „Wachsende Stadt in einer starken Region“. Das ist schon viele Jahre her und ich habe nicht nachgeschaut, was davon umgesetzt wurde und wie es aus heutiger Sicht zu bewerten ist. Aber ich finde, dieser Titel passt auch heute: Mit dem Landwehrviertel, in dem immer mehr hochwertiger Wohnraum fertiggestellt wird, dem Lok-Viertel, für das der Bebauungsplan bald fertig ist, dem Magnum-Gelände, mit seinem ebenfalls sehr zukunftsweisenden städtebaulichen Wettbewerbsergebnis, mit der Entwicklung am und um den Neumarkt und noch vieler weiterer Projekte wächst unsere Stadt. Start-ups und neue Unternehmen entstehen und gedeihen. Universität und Hochschule haben sich hervorragend entwickelt und ziehen junge Menschen aus ganz Deutschland, Europa und weltweit an. Unsere Wohnungsgesellschaft WIO wächst und hat mit dem Projekt Eversheide die ersten über 140 Wohnungen am Markt. Die nächsten Projekte werden noch mehr auf bezahlbaren Wohnraum setzen und damit den Wohnungsmarkt spürbar entlasten. Und die Region ist stark und wird durch die kluge Politik der Grünen Landrätin noch stärker. Mit dem Beschluss zur neuen Planungsgesellschaft Nahverkehr (PlaNOS) in der heutigen Sitzung gehen wir erstmals ein wichtiges Themenfeld gemeinsam an. Dem müssen weitere folgen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Zeit, in der das erwähnte Stadtentwicklungsprogramm geschrieben wurde, gab es noch einen Ausspruch, der auf unseren Alt-OB Hans-Jürgen Fip zurückgeht: „Wer schön sein will, muss baggern!“ Darüber wurde geschmunzelt. Ich drücke es heute mal mit anderen Worten aus: „Wer zukunftsfähig sein will, muss investieren!“ Dafür steht dieser Haushalt!

Mit diesem Haushalt sichern wir, was den sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität in unserer Stadt ausmacht. Zugleich stärken wir gezielt die Zukunftsfähigkeit Osnabrücks. Wir sehen, dass die im letzten Jahr beschlossenen Investitionen, wie zum Beispiel bei den Kitas und Schulen, Früchte tragen. Das zeigt, dass wir mit unserem umsichtigen Kurs auf dem richtigen Weg sind. In Osnabrück geht es weiter voran.

Wir investieren in die Verkehrswende.

Wir müssen noch viel schneller und effizienter werden, aber der schwere Tanker, der mit dem Ideal der autogerechten Stadt über Jahrzehnte in die falsche Richtung gefahren ist, hat abgebremst und wendet.

Wir investieren in Klimaschutz und Klimafolgenanpassung.

Wie unser Weg zur Klimaneutralität ist auch das energetische Sanierungsprogramm für die öffentlichen Gebäude ehrgeizig, aber notwendig und sollte allen privaten Eigentümer*innen das Beispiel geben, ebenfalls aktiv zu werden. Im Zusammenhang mit dem heutigen Haushaltsbeschluss muss auch betont werden, dass jede eingesparte oder selbst erzeugte Kilowattstunde unseren Haushalt sofort entlastet. Auch deshalb ist es sinnvoll, hier Tempo zu machen.

Und wir investieren schon seit Jahren in unsere Kitas, Schulen und Turnhallen.

Ja, es hat sich einiges an Sanierungsstau angesammelt und wir hätten schon früher, in den Zeiten extrem niedriger Zinsen, konsequenter handeln müssen. Zur Zukunftsfähigkeit einer Stadt, zur Zukunft unserer Kinder und Enkel gehört eine funktionierende Bildungslandschaft. Das hört sicher nicht bei Gebäuden und Infrastruktur auf, aber wir in Osnabrück machen unsere Hausaufgaben!

Meine Zeit hier am Rednerpult reicht nicht aus, um das Thema Schuldenbremse intensiv zu beleuchten. Klar ist, dass dieses Dogma auch unsere Arbeit nicht leichter macht und einen Teil des Defizits erklären kann. Das ist keine neue Erkenntnis: Die Auswirkungen der Schuldenbremse belasten die kommunalen Haushalte. Wo wurde überall Musik bestellt, aber nicht bezahlt? Am deutlichsten wird es bei der Unterstützung des Klinikums Osnabrück, unseres Klinikums. Es ist nirgendwo vorgesehen, dass wir als Kommune hier Millionen an Defizitausgleich leisten müssen. Trotzdem tun wir es in Verantwortung für die Gesundheitsversorgung in Stadt und Region. Was das Oberzentrum Osnabrück an Leistungen für die Region vorhält und bezahlt ist ebenfalls ein Evergreen der Haushaltsberatungen.

Hier vor Ort erleben wir ganz unmittelbar, dass sich Schulden nicht nur in Form von Krediten ausdrücken: Marode Infrastruktur (wie die Brücke Hamburger Straße oder aktuell die Humboldtbrücke), bröckelnde Schulen, eine kaputtgesparte Bahn und eine vom Klimawandel geplagte Welt, in der immer mehr Extremwetterereignisse Existenzen und Menschenleben zerstören – das sind die Bedrohungen, die die Zukunft der jungen Menschen gefährden. Wir müssen alles dafür tun, ihnen eine solche Hypothek nicht zu hinterlassen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die aktuelle Haushaltslage mit einem historischen Defizit macht uns allen große Sorgen, zumal in der Mittelfristplanung nur wenig Licht am Horizont erkennbar ist. Wie seit vielen Jahren üblich, haben die verantwortungsvollen Fraktionen in diesem Rat in zahlreichen Runden um Einsparungen, Prioritätensetzungen und Verschiebungen gerungen. Zusammen mit der Mehreinnahme durch die künftige Tourismusabgabe haben wir immerhin eine Verbesserung von rund 15 Millionen Euro zusammenbekommen.

Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit ist keine Selbstverständlichkeit und wohl zunehmend eine Ausnahme in diesen aufgeregten Zeiten. Dafür von mir ein herzliches Dankeschön! Mein Dank gilt auch der Verwaltung für die vielen Erläuterungen und Antworten auf unsere Fragen und die konstruktive Unterstützung der Beratungen. Und natürlich dem Verhandlungsteam meiner Fraktion: Michael Hagedorn, Kristina Pfaff und Sebastian Bracke.

Meine Damen und Herren,

die schlechte Haushaltslage führt leider auch dazu, dass wir uns auf den Erhalt konzentrieren und in einigen Fällen Mehrbedarfe der vielen sehr engagierten Vereine und Initiativen ablehnen müssen. Es gibt so viele gute Ideen aus unserer starken und überaus engagierten Zivilgesellschaft. Uns ist klar, welchen Wert dieses Engagement, das zudem noch häufig ehrenamtlich ist, für unsere Stadt hat. Ob bei Suchterkrankungen, der Arbeit mit Obdachlosen, der Integration von geflüchteten Menschen, der Inklusion, bei den vielfältigen kulturellen Angeboten, bei den Sportvereinen, den Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen oder der Arbeit für Natur-, Arten- und Umweltschutz: Wir sparen nichts kaputt! Es würde sich beim Haushaltsdefizit im Bereich der Nachkommastelle auswirken, aber einen enormen Schaden für das Zusammenleben in dieser Stadt hervorrufen.

In der Corona-Pandemie wurde sichtbarer, welche Bedeutung die zahlreichen Stiftungen in dieser Stadt für Bildung, Soziales, Kultur und vieles mehr haben. Allen Stifter*innen können wir alle zusammen danken, dass sie mit ihrem Vermögen diese Verantwortung für ein funktionierendes Gemeinwesen übernommen haben. Da geht aber noch viel mehr! Ehrenamt oder finanzielle Unterstützung, in diesen Zeiten sollten alle mithelfen, unser schönes Osnabrück noch lebenswerter zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Personalkosten sind ein Dauerbrenner in den Haushaltsberatungen. Lassen Sie mich aber zunächst den tollen Mitarbeitenden unserer Verwaltung danken. Sie arbeiten jeden Tag für uns und das Funktionieren dieser Stadt. Danke!

Die Steigerungsraten bei den Personalkosten sind gewaltig. Das liegt an den verhandelten Tarifsteigerungen, aber auch an den notwendigen und politisch gewünschten Neueinstellungen: Wir brauchen Erzieher*innen, Fachplaner*innen und Ingenieur*innen, Sozialarbeiter*innen und Personal im Ordnungsaußendienst. Mittlerweile sind es aber nicht mehr nur die Kosten, die uns mit Sorge auf das Personal schauen lassen. Der demografische Wandel trifft auch unsere Verwaltung. Laut eines Gutachtens für das Bundeswirtschaftsministerium werden in den nächsten zehn Jahren in Deutschland 4 Millionen mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als junge Menschen nachrücken. Bis 2035 werden über 1.000 Mitarbeitende aus der Stadtverwaltung ausscheiden.

Vor diesem Hintergrund müssen wir auch darüber nachdenken, ob alle gewachsenen Ansprüche in der Zukunft noch so bedient werden können. Das emotionale Thema „Hundekotbeutel“ gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Debatte. Klar ist: Wir müssen effizienter in der Aufgabenerledigung und in den Prozessen werden. Vor allem dort, wo es um Standardverfahren der öffentlichen Verwaltung geht. Und – das sage ich explizit als grüner Politiker – Datenschutz ist wichtig zum Schutz der persönlichen Daten, er darf aber nicht dazu führen, dass öffentliche Verwaltung ineffizient arbeiten muss. Dass es anders geht, macht uns doch die halbe Welt vor. Ohne Digitalisierungsgewinne wird es nicht gehen. Die Osnabrücker Verwaltung hat sich längst auf den Weg gemacht und das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Wir geben die Mittel für Investitionen in Hardware und sinnvolle Softwarelösungen frei. Das Grundproblem aber können wir kommunal nicht lösen. Ich sage es mit den Worten von Esther Menhard in ihrem Artikel auf netzpolitik.org: „Es gibt keine einheitliche technische Basisinfrastruktur, genauso wenig wie eine Gesamtstrategie oder einheitliche Standards und Schnittstellen, die für alle Ebenen verbindlich sind. Das bedeutet: Bund, Länder und Kommunen entwickeln jeweils eigene Lösungen digitaler Verwaltungsleistungen, die dann nicht gut zusammenspielen.“ Das belastet unsere Verwaltung, Unternehmen und Bürger*innen gleichermaßen.Wenn in diesen Tagen viel über die Probleme Deutschlands gesprochen wird, dann liegt es auch an der organisierten Unverantwortlichkeit und dem Verschlafen längst notwendiger Modernisierungen. Dem müssen wir uns als Stadt Osnabrück entgegenstemmen und es besser machen!

Meine Damen und Herren,

mit diesem Haushalt stellen wir die Weichen auf Zukunft für Osnabrück! Insofern ist er auch ein Stabilitätshaushalt: Nicht kaputtsparen, keine Abwärtsspirale in Gang setzen, sondern Verantwortung übernehmen und kluge Entscheidungen zur Stärkung von Attraktivität, Wirtschaftskraft und sozialem Zusammenhalt treffen! So kommen auch finanziell wieder bessere Zeiten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!